Schutz im Betrieb

Kann der Betriebsrat für wirksamen Ansteckungsschutz im Betrieb sorgen?

In vielen Betrieben wird nach wie vor gearbeitet, in anderen Betrieben kommen die Kolleg*innen aus dem home-office zurück. Vor diesem Hintergrund stellen sich die Fragen nach einem wirksamen Arbeits- und Gesundheitsschutz in den gegenwärtigen Corona-Zeiten in den Betrieben.

 

Was bieten wir Betriebsräten an?

  • Durchführung von Web-Seminaren in kurzer Form (maximal drei Stunden) zum Thema "Pandemie-Arbeitsschutz", möglich als In-House-Seminar für ganze Gremien oder als Veranstaltung für BR aus verschiedenen Gremien (Inhalt: Inhalte einer Pandemie-Gefährdungsbeurteilung, Durchsetzung von konkreten Maßnahmen und Überblick über denkbare Maßnahmen, aktuelle Rechtsprechung);
  • Vertretung der Betriebsräte bei den Verhandlungen über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu einer „Pandemie-Gefährdungsbeurteilung“, einer Betriebsvereinbarung über die Festlegung von pandemiebedingten Arbeitsschutzmaßnahmen (und auch zu der sich anschließenden Wirksamkeitskontrolle) gemäß § 40 BetrVG (ohne Genehmigung des Arbeitgebers möglich), Tätigkeit als Sachverständige gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG (Genehmigung des Arbeitgebers erforderlich)

Für weitere Gespräche, Nachfragen und insbesondere Terminverabredungen stehen wir gerne zur Verfügung.

 

Die rechtlichen Hintergründe:

Der Bundesarbeitsminister Heil hat ein Zehn-Punkte-Programm zum betrieblichen Arbeitsschutz vorgeschlagen (https://www.bmas.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/einheitlicher-arbeitsschutz-gegen-coronavirus.html), das Bundesarbeitsministerium hat Corona-Arbeitsschutzstandards bekannt gemacht und die Berufsgenossenschaften (gesetzliche Unfallversicherung) arbeiten an der Konkretisierung der Vorgaben bezogen auf die jeweilige Branche. Dennoch stellen wir Anwältinnen und Anwälte der Kanzlei dka und viele von uns beratene Betriebsräte fest, dass in zahlreichen Betrieben längst nicht alle Maßnahmen ergriffen werden, die sich anbieten und die notwendig wären. Auch ist festzustellen, dass eine Einbindung der Betriebsräte auf Basis ihres zwingenden Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in sehr vielen Betrieben gar nicht oder nur teilweise erfolgt.

Was müssen Betriebsräte in dieser Situation unternehmen um für den Schutz der Kolleg*innen Sorge zu sorgen, welche Rechte haben sie und wie gehen sie wirksam vor? Diese Fragen stehen in der Beratung im Vordergrund. Mittlerweile existieren vereinzelte Entscheidungen aus der Arbeitsgerichtsbarkeit (Arbeitsgerichte Berlin, Flensburg, Wesel), die darauf hinauslaufen, dass mit Blick auf einschlägige Regelungen der Biostoffverordnung es den Arbeitgebern untersagt wird, die Beschäftigten tätig werden zulassen, bevor nicht ausreichende Maßnahmen des "Pandemie-Arbeitsschutzes" festgelegt worden sind. Die bekannt gewordenen Entscheidungen betreffen zwar den Bereich des Einzelhandels, der besonders von Gefährdungslagen betroffen ist, jedoch lassen sich die Erwägungen der Arbeitsgerichte auch auf Produktions- und Dienstleistungsbetriebe anderer Branchen übertragen. Auf Basis dieser Rechtsprechung kann ein Betriebsrat sehr viel Druck aufbauen, um die Arbeitgeber zum Handeln zu zwingen, wenn dieser – wie viele andere Arbeitgeber auch - deutlich zu wenige bzw. keine wirksamen Arbeitsschutzmaßnahmen in den gegenwärtigen Corona-Zeiten ergreift.

 

  1. „Pandemie-Gefährdungsbeurteilung“

Nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.03.2017 – 1 ABR 25/15 können (mitbestimmungspflichtige) Arbeitsschutzmaßnahmen nach § 3 ArbSchG in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG von Betriebsräten nur durchgesetzt werden, wenn zuvor eine ordnungsgemäße Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG durchgeführt worden ist und sich daraus ein Handlungsbedarf ergibt.Wenn Gefährdungen feststehen, wie dies z.B. bei der Corona-Pandemie der Fall ist und der Arbeitgeber keine Maßnahmen dagegen ergreift, besteht auch ohne Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung eine Handlungspflicht nach § 3 ArbSchG und der Anwendungsbereich des Mitbestimmungsrechts ist eröffnet.

Methodik und Verfahren der Gefährdungsbeurteilung unterliegen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrates.

Um eine Pandemie-Gefährdungsbeurteilung in Corona-Zeiten schnell und effektiv und nicht zu langwierig zu gestalten und durchzusetzen, empfiehlt sich die Vereinbarung einer kurzen, auf den Punkt genauen "Pandemie-Gefährdungsbeurteilung". Klar strukturierte Muster auf Basis von Checklisten und relativ einfach zu beantwortenden Fragen sind verfügbar und in unserer Beratungspraxis erprobt. Nach allen Erfahrungen sind die meisten Arbeitgeber bereit, hier mit Betriebsräten entsprechende Betriebsvereinbarungen ohne eine Eskalation abzuschließen. Sollte das nicht der Fall sein, kann und sollte der Betriebsrat schnellstmöglich die Einigungsstelle nach § 87 Abs. 2 in Verbindung mit § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG anrufen.

 

  1. Maßnahmen des Pandemie-Arbeitsschutzes

Sobald die Vereinbarung über eine Pandemie-Gefährdungsbeurteilung nach § 5 ArbSchG abgeschlossen und eine Beurteilung durchgeführt worden ist, können konkrete Maßnahmen festgelegt werden. Diese kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber verlangen und über sein Mitbestimmungsrecht nach & 89 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG auch durchsetzen. Die denkbaren Maßnahmen, die betriebsbezogen zu detaillieren und zu konkretisieren sind, sind organisatorischer, personenbezogener und/oder technischer Natur und die umfassende Unterweisung der Beschäftigten nach § 12 ArbSchG, die regelmäßig zu wiederholen ist, spielt eine herausragende Rolle. Sollten eine Einigung über die Festlegung von Maßnahmen nicht möglich sein, kann und sollte der Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen.

Abschließend: Es gibt – wie oben betont – gut erprobte Szenarien, einen wirksamen "Pandemie-Arbeitsschutz" schnell und effektiv jetzt durchzusetzen. Langfristig können und sollten Betriebsräte aber auch daran denken, dass die pandemiebedingten psychischen Belastungen zunehmen und deshalb in die entsprechenden Gefährdungsbeurteilungen integriert und bei der Festlegung von Maßnahmen beachtet werden sollten. Auch muss daran gedacht werden, langfristig wirkende Maßnahmen des "Pandemie-Arbeitsschutzes" anzustreben, da bis zur Entwicklung eines Impfstoffes noch relativ viel Zeit vergehen kann und in der Zwischenzeit das Thema an Aktualität nicht verlieren wird.