"Ich weiß dass ich ihn nicht gesehen habe, mehr kann ich dazu nicht sagen."

Presseerklärung der Nebenklägervertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 15. April 2014

"Ich weiß dass ich ihn nicht gesehen habe, mehr kann ich dazu nicht sagen."
Am heutigen Hauptverhandlungstag wurde die Vernehmung des ehemaligen Verfassungsschutzmitarbeiters Andreas T. fortgesetzt. Seine Vernehmung verdeutlichte zum wiederholten Mal, dass der Hessische Verfassungsschutz einen offensichtlich die Unwahrheit sagenden Tatzeugen schützt.

Zunächst wurde aber ein Kriminaltechniker vom LKA Thüringen vernommen, der sich auf die Entschärfung von unkonventionellen Sprengstoffvorrichtungen spezialisiert hat. Der Sachverständige hatte die Funde in der von Beate Zschäpe angemieteten Garage untersucht, die bei deren Durchsuchung am 26. Januar 1998 gefunden worden sind. Im Anschluss an die Durchsuchung der Garage sind Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in den Untergrund gegangen.

In der Garage wurden - neben vielen anderen Waffen und Unterlagen - auch zwei Rohrbomben, drei weitere Rohre, die offensichtlich als Grundlage zum Bau weiterer Rohrbomben dienten, TNT, eine verdrahtete Blechdose gefüllt mit TNT, Schwarzpulver, selbst hergestelltes Sprengmaterial und weitere Utensilien gefunden. Laut Aussagen des Kriminaltechnikers waren die Rohrbomben zwar nicht funktionsfähig. Sie wurden aber mit einem solch hohen Aufwand und unter Verwendung von TNT hergestellt, dass sie offensichtlich nicht als Attrappen dienen sollten.

Der Vortrag des Sachverständigen war in überraschenderweise Weise unstrukturiert. Der Sachverständige war unvorbereitet, so dass ihm immer wieder durch den Vorsitzenden Richter Passagen aus seinem Auswertebericht vorgehalten werden mussten.

Im Anschluss daran wurden diverse Beweisanträge durch die Nebenklage Yozgat gestellt. Der erste Beweisantrag beinhaltete die Vernehmung eines Mitarbeiters von dpa und die Verlesung von Presseartikeln, aus denen sich ergibt, dass die Öffentlichkeit erst am Nachmittag des 10. April 2006 um 14.56 Uhr erfahren hat, dass Halit Yozgat durch eine Ceska 83, die auch bei acht anderen Morden an Kleingewerbetreibende mit Migrationshintergrund benutzt worden ist, erschossen worden ist. Dies ist insofern von Bedeutung, weil sich aus anderen Erkenntnisquellen ergeben hat, dass der Zeuge und ehemalige Beschuldigte Andreas T, der zur Tatzeit im Internetcafe war, schon am 9. April 2006 bzw. am 10. April 2006 vormittags Kenntnis davon hatte, dass es sich hier bei der Tat in Kassel um einen Teil einer bundesweiten Mordserie gehandelt habe.
Der zweite Beweisantrag zielte auf die Vernehmung von zwei Kasseler Polizeibeamten, die bekunden werden, dass sowohl Andreas T. als auch seine Kollegen vom Hessischen Verfassungsschutz vor Gericht die Unwahrheit gesagt haben, da der Besuch von Andreas T. im PP Nordhessen am 10. April 2006 nicht im Zusammenhang mit den Mord an Halit Yozgat stand, sondern mit Fragen zu Demonstrationen wegen den Mohammed-Karikaturen.

Am Nachmittag wurde dann die Vernehmung von Andreas T. fortgesetzt. Durch die Nebenklage wurde der ehemalige Verfassungsschutzmitarbeiter nach Literatur zur NS-Zeit, die bei ihm im Rahmen einer Hausdurchsuchung gefunden geworden ist, befragt, worauf der Zeuge antwortete, dass er diese in seiner Teenagerzeit abgetippt habe. Wie er darauf gekommen sei, auch Bücher, die sich mit angeblichen Kriegsverbrechen von polnischen Soldaten und mit Lehrplänen der SS beschäftigt haben, abzutippen, konnte der Zeuge nicht wirklich erklären.

Anschließend wurde er zu seinem Chat-Verhalten befragt und in diesem Zusammenhang die schriftliche Zeugenaussage seiner Ehefrau vorgehalten. Der "Verfassungsschützer" hatte immer behauptet, dass er seiner Frau und seinen Kollegen nicht gesagt habe, dass er in dem Internet-Café gewesen sei, um seine Besuche auf der Flirt-Chatline zu verheimlichen. Seine Frau hatte aber ausgesagt, dass sie gewusst habe, dass er Internet-Cafés aus dienstlichen Gründen besucht habe. Warum er denn nicht seiner Frau gesagt habe, er sei auch in diesem Internet-Café aus dienstlichen Gründen gewesen sei, konnte der Zeuge nur mit einem damaligen "Bauchgefühl" "erklären".
Auch auf weitere Vorhalte, die die Widersprüche seiner Aussagen verdeutlichten, kamen nur ausweichende Antworten.

Bewegend war die anschließende Befragung des Zeugen Andreas T. durch den Vater des Mordopfers Halit Yozgat. Der Vater fragte den Zeugen, warum er seinen Sohn nicht hinter dem Tresen liegen gesehen haben will, obwohl er - das hatte auch das Video, mit dem der Besuch von Andreas T. im Internet-Café nachgestellt worden ist, belegt - ihn gesehen haben müsste. Der Zeuge antwortet darauf immer nur, dass er nur wisse, dass er ihn nicht gesehen habe, mehr könne er dazu nicht sagen. Der Vater machte mehrmals deutlich, dass er ihm nicht glaubt.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu: "Die erneute Vernehmung des Andreas T. machte für alle Beteiligten deutlich, dass hier die Unwahrheit gesagt wird und dieser angebliche 'Verfassungsschützer' bei seinen Vertuschungsversuchen alle mögliche Unterstützung durch das Hessisches Landesamt für Verfassungsschutz erfährt."

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