Grundsatzentscheidung zum Schwerbehindertenrecht
Schwerbehinderte Bewerber auf Stellen im öffentlichen Dienst sind auch dann zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn die Stelle lediglich intern ausgeschrieben wird. Diese Grundsatzentscheidung haben die dka Rechtsanwälte am 25. Juni 2020 vor dem Bundesarbeitsgericht erstritten.
Bislang ging die Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte und der Oberverwaltungsgerichte weit überwiegend davon aus, dass Schwerbehinderte nur zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen sind, wenn die Stelle auch extern ausgeschrieben wird. Diese Rechtsprechung stützte sich auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von 2011, für welche diese Frage jedoch letztlich nicht entscheidungserheblich war.
Unser Kollege Rechtsanwalt Sebastian Baunack dazu:
„§ 82 S. 2 SGB IX alter Fassung (nun: § 165 S. 3 SGB IX) ist völker- und europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass schwerbehinderte Menschen auch dann zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen sind, wenn sie sich als interner Bewerber auf eine solche Stelle beworben haben. Nur so wird den Anforderungen der europarechtlichen Regelung und der Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention Rechnung getragen, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit schwerbehinderte Menschen einen beruflichen Aufstieg erreichen können. Der persönliche Eindruck in einem Vorstellungsgespräch ist dafür essenziell.“
Das Bundesarbeitsgericht hat dies nunmehr grundsätzlich entschieden.
§ 165 S. 3 und 4 SGB IX:
Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen solchen Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Eine Einladung ist entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.
Artikel 5 RL 2000/78/EG:
Angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung
Um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, sind angemessene Vorkehrungen zu treffen. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung, die Ausübung eines Berufes, den beruflichen Aufstieg und die Teilnahme an Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten. Diese Belastung ist nicht unverhältnismäßig, wenn sie durch geltende Maßnahmen im Rahmen der Behindertenpolitik
des Mitgliedstaates ausreichend kompensiert wird.