"Es war alles schlecht, was nicht total deutsch war."
Presseerklärung der Nebenklägervertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 8. April 2014
"Es war alles schlecht, was nicht total deutsch war."
Heute, am 103. Hauptverhandlungstag, hat Anja S., die ehemalige Freundin des Angeklagten André E., vor dem OLG ausgesagt.
Sie war 15, als sie 1997 André E. auf einer Kirmes kennen gelernt hatte. Wir mochten uns und waren dann auch schnell zusammen, so die Zeugin, die heute in Großbritannien lebt. Die Beziehung habe bis März/April 1999 gehalten. André E. habe damals eine rechte Einstellung gehabt. Er habe auch viel über die Wehrmacht geredet und wie toll die gewesen sei. Er sei stolz gewesen, Deutscher zu sein und habe auch danach gelebt. Was nicht deutsch war, war für ihn auch nicht akzeptabel gewesen. "Es war alles schlecht, was nicht total deutsch war", so beschrieb die Zeugin die Einstellung des Angeklagten. Sie habe nicht nach "schwarzer Musik" tanzen und Döner essen dürfen. Anja S. habe sich dann von André E. getrennt, weil sie so nicht leben wollte und andere Menschen kennen gelernt hatte.
Ihr Stiefvater sei gegen die Beziehung gewesen; allerdings nicht wegen der politischen Einstellung von André E., sondern weil die Kultur der Skinheads dem politischen Anliegen geschadet habe. Ihr Stiefvater habe selbst eine extreme, rechte Einstellung gehabt. Damals, so ihr Stiefvater, sei alles viel besser gewesen. Wäre ich mit einem Ausländer nach Hause gekommen, hätte er mich vor die Tür gesetzt, schilderte die Zeugin.
André E. und der Stiefvater der Zeugin waren nicht die einzigen mit einer rechten Meinung im Umfeld der Zeugin. Anja S. beschrieb in ihrer Vernehmung eine epidemische Normalität von rechten und rassistischen Einstellungen im Erzgebirge. Finden Sie mal einen im Erzgebirge, der sich nicht negativ über Ausländer äußert, so die Zeugin. Das Hören von rechter Musik wurde als "normal" angesehen, auch szenetypische Kleidung wie Springerstiefel und Bomberjacken. So seien alle jungen Männer damals rum gelaufen. Auch sie habe damals eine rechte Einstellung gehabt, das war einfach "normal" damals gewesen.
Mit André E. hätte sie auch eine Zeitlang zwei Männer und eine Frau in einer winzigen Wohnung in Chemnitz besucht. Später, als sie die Fahndungsfotos des BKA gesehen hat, habe sie Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe als die Drei wieder erkannt. André E. habe ihr damals gesagt, die Drei müssten sich für eine Weile verstecken. Die Besuche müssten so im Zeitraum Sommer 1998 bis März/April 1999 gewesen sein. Einmal soll wohl auch die Zeugin Mandy S., die 1998 für das Trio Unterkünfte in Chemnitz organisiert hat, dabei gewesen sein. Bei Mandy S. habe auch öfter André E. übernachtet.
Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu: "Die Aussage von Anja S. belegt, wie lange schon André E. zum unmittelbaren Umfeld des Trios gehört hatte. Schon in den ersten Monaten des Untertauchens gehörte er zu denjenigen, die regelmäßig das Trio in ihrem Unterschlupf besuchten. Auch Anja S. gehörte zu diesem Kreis, obwohl sie eher eine Randfigur der Szene war. Diese Aussage belegt - in der Zusammenschau mit dem bisherigen Beweisergebnis -, dass eine Vielzahl der Angehörigen der Chemnitzer rechten Szene von dem Trio und deren Untertauchen Bescheid wussten."