Die Beweisaufnahme wird regulär fortgesetzt. Sandro T. und das „Tabuthema“

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwalt Sebastian Scharmer und Rechtsanwalt Dr. Stolle vom 28.07.2015

 

Die Beweisaufnahme wird regulär fortgesetzt.

Sandro T. und das „Tabuthema“

 

Trotz Entpflichtungsanträgen und einer Strafanzeige von Zschäpe gegenüber ihren Verteidigern Heer, Stahl und Sturm wurde die Beweisaufnahme ohne weitere Unterbrechung fortgesetzt. Geladen war heute Sandro T. Er war nach eigenen Angaben sowohl mit Mundlos und Böhnhardt als auch mit Brandt befreundet. Er kommt ebenfalls aus Thüringen, hatte dann aber nach eigenen Angaben wenig Kontakt, weil er in Bayern gewohnt hat. Zschäpe habe mit zu einer Gruppe von Jenaern gehört, die ihn öfter besucht haben. Es sei eine „starke Gruppe“ gewesen. Wohlleben habe ebenfalls dazu gehört.

Er war bei einer Schulungsveranstaltung der NPD in der Jugendherberge „Froschmühle“ dabei, bei der nach Aussagen weiterer Zeugen ein Gespräch über die flüchtigen Drei geführt worden sei, in das auch Wohlleben involviert gewesen sein soll. Sandro T. wurde auf Antrag der Verteidigung Wohlleben gehört. Erwartungsgemäß konnte oder wollte er sich an das Gespräch nicht erinnern, wollte es aber ausschließen, weil die Flucht „von Böhnhardt und Mundlos“ ein Tabuthema gewesen sei. Zschäpe sei aus reiner Solidarität oder auch „Abenteuerlust“ mit auf Flucht gegangen, weil sie ja selbst gar keinen Grund gehabt hätte. Welche Rolle Zschäpe bei der Anmietung der Garage hatte, in der die Bombenwerkstatt war, wollte er angeblich nicht wissen. Koffer mit Bombenattrappen, die in „Saalfeld“ abgestellt worden seien, könnten seiner Meinung nach nicht aus der rechten Szene stammen. Aber das wären – wie sich auf Nachfrage des Vorsitzenden herausstellte - „alles nur Spekulationen“.

Auffallend war, dass der Zeuge versuchte, Zschäpe möglichst aus allem herauszuhalten und sich vor allem an Tätigkeiten des als V-Mann enttarnten Brandt zu erinnern. Zschäpe beschrieb er als „lustig, spaßig, zurückhaltend – eine angenehme Person“. An „besondere Eigenschaften“ von Böhnhardt könne er sich nicht erinnern, gewalttätig – wie ihn andere Zeugen beschreiben – soll er aber nicht gewesen sein. Mundlos sei ein „Organisationstalent“ gewesen, sei „witzig und aufgeschlossen“ gewesen.

Nach der Flucht habe er nie wieder Kontakt zu den Dreien gehabt. Er habe irgendwann von Brandt gehört, dass die Drei auf Kreta tödlich verunglückt oder getötet worden wären. Er habe aber nicht nachgefragt. Es sei ein „absolutes Tabuthema“ gewesen, man habe niemanden vertraut. Dennoch habe es Konzerte gegeben, bei denen Geld für die Drei gesammelt worden wäre. Dabei habe es auch Vorwürfe an die Sammler gegeben, dass Geld veruntreut wurde. Der Zeuge konnte – oder wollte – sich aber an konkrete Personen, Orte oder Konzerte nicht erinnern.

Auch Wohlleben sei ein Organisationstalent gewesen, „sehr politisch“, „national“ - ein „guter Mann“. Man hat sich auf einander verlassen. Es sei „wie bei der SPD“ gewesen, am Ende sei man auch irgendwie befreundet gewesen. Auf Wohlleben habe man sich 100%ig verlassen können. Er sei „in der Bewegung“ ein fairer Typ gewesen. Carsten S. habe – entgegen seiner Angaben – nie mit ihm über die drei Untergetauchten gesprochen – das müsse er „dementieren“.

Der „Thüringer Heimatschutz“ sei – so der Zeuge – einerseits keine eigene Organisation gewesen, andererseits bezeichnete er ihn als „die Mutter aller Organisationen“. Es sei ein Zusammenschluss von Kameradschaften und Parteien gewesen. Er sei von Brandt mit Hilfe aus Bayern, insbesondere mit Hilfe des später als V-Mann enttarnten Kay D., aufgebaut worden. Gewalt hätten sie „natürlich alle abgelehnt“.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

 

„Sandro T. spricht heute noch von „wir“, wenn er die rechte Szene und die „Bewegung“ meint. Er zählt sich demnach noch dazu. Er versuchte die Involvierung von Wohlleben und Zschäpe klein zu reden, was ihm aber auf konkrete Nachfragen nicht gelang, zu belegen. Auffällig war, dass Sandro T. sich an einzelne Aktivitäten aus dem „Thüringer Heimatschutz“ immer nur dann erinnerte, wenn sie später enttarnte V-Leute, wie Brandt oder Kay D. betrafen. Er versuchte die sonstigen Aktionen der Thüringer Neonazis als freundschaftliches politisches Zusammenwirken, „wie bei der SPD“ zu verharmlosen. Gewalt sei bei der JN, der Jugendorganisation der NPD, und dem Thüringer Heimatschutz angeblich kein Thema gewesen. Sandro T. ging es offensichtlich mehr um den Ruf der JN und der NPD – auch im Hinblick auf das laufende Verbotsverfahren – als um vollständige und wahrheitsgemäße Angaben.“

 

Sandro T. gab erst auf Nachfrage an, dass er drei Gespräche mit dem MAD geführt habe. Bei der Bundeswehr habe man ihn „zu Gesprächen verpflichtet“. Angeblich habe er aber keine Informationen über die „nationale Szene“ gegeben. Bei den Stammtischen des Thüringer Heimatschutzes sein mittels eines extra bestellten Gerätes eine „Wanze“ gefunden worden.

 

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

 

"Wichtig war zumindest die Erkenntnis, dass der Zeuge bestätigte, es habe Solidaritätskonzerte mit Geldsammlungen für die Drei Untergetauchten gegeben. Das Geld sei unter einem Schild mit Spendenbezeichnung gesammelt worden. Am Einlass habe jemand, an den er sich nicht erinnert, gesagt, dass das Geld für die Drei Untergetauchten sei. Das bedeutet, dass in der Szene Böhhardt, Mundlos und Zschäpe und ihr Leben im Untergrund weitläufig bekannt gewesen ist und durch Spenden unterstützt wurde."

 

 

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