Bundesanwaltschaft will Sicherstellung der Unterlagen des V-Mann-Führers von Carsten Szczepanski verhindern.

Presseerklärung der Nebenklägervertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Dr. Peer Stolle vom 29. Juli 2015

Heute wurde die Vernehmung des V-Mann-Führers von Carsten Szczepanski, der als V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes Ende der 1990er Jahre wichtige Informationen zu dem Trio geliefert hat, fortgesetzt.

Der Zeuge, Beamter des Brandenburger Verfassungsschutzes, erschien diesmal in Begleitung eines Zeugenbeistandes, allerdings wieder in derselben Maskerade - Kapuzenpullover, Brille, Perücke - wie bereits am 1. Juli 2015. Der Zeuge war genauso einsilbig wie während seiner ersten Vernehmung. Auf die Frage, ob der von ihm geführte V-Mann Neonazistrukturen in Königs Wusterhausen gebildet, "Kameraden" Waffen angeboten und selber Zugang zu scharfen Waffen gehabt hat und Beschuldiger in Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz pp. gewesen ist, sagte der Zeuge jeweils aus, solche Vorgänge seien ihm angeblich nicht bekannt.

Zur Vorbereitung auf die heutige Vernehmung vor dem OLG habe er vier Aktenordner mit Deckblattmeldungen über die von Carsten Szczepanski gelieferten Informationen eingesehen. Auch führte der Zeuge einen eigenen Ordner mit sich, in den er während seiner Vernehmung mehrmals einsah. Auf die Frage, um was es sich für Unterlagen in dem Ordner handele, antwortete der Zeuge zunächst, es handele sich um Akten aus dem Untersuchungsausschuss. Auf weitere Nachfrage erklärte der Zeugenbeistand dann, dass es sich um Verschlussunterlagen des Verfassungsschutzes handele, dann, dass es sich um persönliche Aufzeichnungen des Zeugen zur Vorbereitung auf die Hauptverhandlung und schließlich, dass es sich um Aufzeichnungen des Zeugen aus dem Beratungsverhältnis mit dem Zeugenbeistand handele.

Als der Vorsitzende erklärte, dass er die Unterlagen des Zeugen sicherstellen wolle, entspann sich ein heftiger Disput über die Beschlagnahmefähigkeit der Unterlagen. Wenig überraschend sprangen die Vertreter der Bundesanwaltschaft dem Zeugenbeistand bei und erklärten, zunächst müsse die Behörde erklären, ob sie eine Sperrerklärung bezüglich der Unterlagen abgebe; nur wenn diese nicht ausdrücklich erklärt werde, könnten die Unterlagen beschlagnahmt werden. Selbst mit dem Vorschlag des Senates, die Unterlagen zunächst - ohne sie zu sichten - sicherzustellen, bis geklärt sei, ob eine Sperrerklärung seitens des Innenministeriums abgegeben wird, stellte sich die BAW entgegen.

Die Vernehmung des V-Mann-Führers wurde daraufhin zunächst unterbrochen; er und sein Zeugenbeistand sollten zunächst erklären, ob und wenn ja ggf. bezüglich welcher Unterlagen seitens des Dienstherrn eine Sperrerklärung abgegeben werde. Dafür könne das Zeugenzimmer im Beisein eines Justizbeamten genutzt werden.

Nach einer weiteren Unterbrechung wurde erklärt, dass das Brandenburger Innenministerium die Abgabe einer Sperrerklärung prüft und sich mit der Fertigung von Kopien für den Senat, die dieser versiegelt verwahren kann, bis eine Entscheidung getroffen ist, einverstanden ist. Daraufhin wurde die Vernehmung des Zeugen unterbrochen.

 

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu: "Es ist bezeichnend, dass die Bundesanwaltschaft in diesem Verfahren immer dann aktiv wird, wenn es darum geht, Aufklärung in Bezug auf die Arbeit der Verfassungsschutzbehörden und ihrer V-Männer zu verhindern. Die Sicherstellung der Unterlagen des Zeugen war der einzig richtige Schritt. Die Unterlagen, die bisher zu den Verfahrensakten gelangt sind und die Führung des V-Mannes Sczcepanski und die von ihm gelieferten Informationen betreffen, sind unvollständig. Die Beiziehung sämtlicher Unterlagen, die die Führung des V-Mannes Sczcepanski betreffen, und die Treffberichte und die Deckblattmeldungen über die von ihm gelieferten Informationen enthalten, ist aus Aufklärungsgesichtspunkten dringend geboten, da nur dann auch die Glaubhaftigkeit der von dem Zeugen gemachten Angaben überprüft werden kann. Dies ist vor allem aufgrund des an Aussageverweigerung grenzenden Aussageverhaltens des Zeugen erforderlich. Wie groß das Missvertrauen gegenüber dem Verfassungsschutz mittlerweile ist, zeigte sich auch daran, dass die Mitnahme der Akten in das Zeugenschutzzimmer dem Zeugen und seinem anwaltlichen Beistand nur im Beisein eines Justizbeamten gestattet wurde."

 

Zwischendurch wurde eine Beamtin des BKA, die zu der Vielzahl der von dem Trio benutzten Aliaspersonalien Auskunft geben konnte, vernommen.

 

Am Nachmittag wurde ein weiterer Beamter des BKA vernommen, der sowohl Dateien, als auch Auszüge von Telefonbüchern und Notizzetteln, die in der Frühlingsstraße sichergestellt worden sind, ausgewertet hatte. Die Dateien waren Adresssammlungen und enthielten zu München 88, zu Nürnberg 6 und zu Dortmund 37 Datensätze. Die Datensätze enthielten Angaben zu Politikern, islamischen und jüdischen Einrichtungen, Parteienbüros aber auch Angaben zu Kindergärten, Friedhöfen, Polizeibeamten und Staatsanwälten. Die Auszüge aus den Telefonbüchern und die Notizzettel wurden von dem Beamten als Grundlage für die Erstellung weiterer Adresssammlungen gewertet. In der Gesamtschau handelte es sich um Vorbereitungen für die Begehung von weiteren Anschlägen.

Der Zeuge konnte allerdings keine Angaben dazu machen, ob Ermittlungen zu den aufgeführten Anschlagszielen gemacht worden sind, insbesondere, ob die betroffenen Personen vernommen worden sind. Derartige Ermittlungshandlungen hätten eventuell Anhaltspunkte dafür geben können, warum die betroffenen Personen und Objekte in das Visier des NSU geraten sind, woraus gegebenenfalls Rückschlüsse auf das Netzwerk des NSU und seiner Helferstruktur geben könnte. Dies zeigt wieder einmal, dass seitens der Strafverfolgungsbehörden kein Interesse an der Aufklärung des Umfeldes des NSU besteht.

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