Blut, Ehre und „Pinocchio“

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 28.04.2015

 

Blut, Ehre und „Pinocchio“

 

Der Tag begann mit der Vernehmung des Zeugen André K., einem alten Bekannten des Angeklagten André Eminger. Es liege alles Jahre zurück, er habe die Leute nur bei Konzerten gesehen, begann der Zeuge, wie bei Zeugen aus der rechten Szene in diesem Prozess üblich, mit Ausflüchten. Seine Gesinnung trug er aber auch heute noch auf dem kahl rasierten Kopf zur Schau, u.a. mit dem Tattoo „Blut & Ehre“. Der Zeuge wollte sich von Beginn an an wenig erinnern. Er habe alle vor 10-12 Jahren das erste und letzte mal gesehen. So 2-3 mal im Monat. Vielleicht sei es auch vor 8 Jahren gewesen. „Wie gesagt“ lamentierte der Zeuge. Auf welchen Konzerten das war, wüsste er angeblich nicht mehr, irgendwo in Sachsen. Der Vorsitzende bohrte nach.

Die Eminger-Brüder kenne er auch von der Weißen Bruderschaft Erzgebirge (WBE). Die habe man zusammen „wahrscheinlich“ auch mit anderen Leuten gegründet. Das wären so zwanzig Mann gewesen, von denen er aber angeblich keinen kenne. Nach mehrfachem Nachfragen kamen dann wiederwillig zwei – drei Spitznamen, mehr nicht. Die Eminger-Brüder seien die „Vorsitzenden“, die Ansprechpartner, der WBE gewesen.

Auf konkrete Nachfragen wich der Zeuge immer wieder nuschelnd mit „keine Ahnung, weiß ich doch nicht“ aus. Seine damalige Einstellung sei „gesund“ gewesen, „keine Ahnung, kann ich ja nicht viel zu sagen“. Ihm haben die Musik gefallen und die Leute. Er sei jung gewesen. Gewalt sei eine „Frage gewesen, die wo jeder irgendwie gehabt hat“, was die „Medien halt veröffentlicht“ haben. Der herum lamentierende und ausweichend antwortende Zeuge zerrte wieder einmal an den Nerven der Verfahrensbeteiligten, nur der Angeklagte Eminger schien sichtlich amüsiert.

 

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

„Das Aussageverhalten dieses Zeugen reiht sich in das einer Vielzahl von Zeugen aus der rechten Szene ein. Dreist weicht er aus, lamentiert, ist unwillig, überhaupt Fragen zu beantworten und hat offensichtlich zumindest Wissen verschwiegen. Dieses Aussageverhalten stellt nicht nur eine Missachtung des Gerichts und aller Verfahrensbeteiligten dar. Es ist eine Behinderung der notwendigen Aufklärung. Ein solches Aussageverhalten behindert auch die Beschleunigung des Verfahrens. Ich bin mir bewusst, dass die prozessualen Möglichkeiten, in diesem Verfahren gegen solche Zeugen vorzugehen, begrenzt sind. Ich gehe aber davon aus, dass die Bundesanwaltschaft entsprechende Vermerke fertigt und diese zur Einleitung von Ermittlungen wegen uneidlicher Falschaussage der zuständigen Staatsanwaltschaft München zuleiten wird.“

 

Am Nachmittag wurde der ehemalige Berliner Blood & Honour Chef Stefan L., Spitzname „Pinocchio“, vernommen. Er war 1994 Gründungsmitglied von der Blood & Honour Division Deutschland und damit auch zuständiger Sektions-Chef in Berlin. 1997 sei Blood & Honour Sachsen aus der Division Deutschland ausgestoßen worden. Man sei sich mit den Sachsen nicht mehr „grün gewesen“. Es hätte Streitereien übers Geld gegeben. Chef sei dort damals „Jan W.“ gewesen. Die Angeklagten kenne er alle nicht. Die seien auch bis zu einem gewissen Zeitpunkt jedenfalls nach seiner Kenntnis in keiner Sektion gewesen. Denn bis dahin habe er alle Leute gekannt. Das sog. Feldhandbuch, dass den bewaffneten Untergrundkampf propagierte, kenne er in englischer Fassung seit ca. 1995. Das wäre über die skandinavische Connection gekommen. Er habe sich aber nur für Musik interessiert.

Es habe im Wesentlichen zwei Strömungen in der Szene gegeben, so der Zeuge. Die eine hätte „C18“, also Combat 18, den bewaffneten rechtsextremistischen Untergrundkampf, propagiert, die andere nicht. Zur letzteren habe angeblich auch er gehört. Im März 2000 wäre er bei Blood & Honour raus gewesen, weil er festgenommen wurde. Ein halbes Jahr später sei das Verbot gekommen, weil Blood & Honour, so habe nach dem Zeugen die Verbotsverfügung gelautet, gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung verstoßen habe.

Es habe bestimmte Sektionen gegeben, die „extrem politisch“ gewesen wären und immer zu Demos gegangen sind. Sachsen sei allerdings nach Meinung des Zeugen nicht die „C18“-Strömung gewesen.

Die Frage, ob er jemals von einer Verfassungsschutzbehörde, dem MAD oder BND bzw. überhaupt als möglicher Informant angesprochen wurde, verneinte der Zeuge, was zu überprüfen sein wird.

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