Verfassungsschutzmitarbeiter behauptet Erinnerungslücken.

Presseerklärung der Nebenklägervertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 9. April 2014

Verfassungsschutzmitarbeiter behauptet Erinnerungslücken.
An dem heutigen Hauptverhandlungstag stand der Mordfall Yozgat in Kassel im Mittelpunkt der Beweisaufnahme.

Am Vormittag wurde der pensionierte Beamter des Kasseler Polizei, Herr G., vernommen, der einen Kunden, der sich zum Tatzeitpunkt im Internet-Café aufgehalten hat, 2006 vernommen hatte. Der Augenzeuge, ein Herr Faiz S., konnte selbst nicht angehört werden, da er unbekannten Aufenthaltes ist.

Der Augenzeuge Faiz S. war zum Tatzeitpunkt Kunde in dem Internet-Café und hatte in einer der im Tresenraum befindlichen Kabinen telefoniert. Während des Telefonats habe er Geräusche gehört, so wie wenn zwei Luftballons explodieren würden, habe diesen aber keine weitere Bedeutung zugemessen. Außerdem habe er aus dem Augenwinkel eine schattenhafte Person gesehen, ca. 1,80 groß, männlich, helle Kleidung. Nach dem Telefonat habe er den Betreiber des Internet-Cafés gesucht, diesen aber zunächst nicht gefunden. Dann sei ein älterer Man gekommen, der Vater von Halit Yozgat. Zusammen hätten sie das Mordopfer regungslos hinter dem Tresen liegend gesehen. So habe sich der Beamte die damalige Aussage des Zeugen Faiz S. notiert.

Auf Nachfrage von Rechtsanwalt Bliwier, ob dem Zeugen Faiz S. durch die Polizei Lichtbilder von Andreas T., dem damaligen Mitarbeiter des Hessischen Verfassungsschutzes, der sich ebenfalls zur Tatzeit am Tatort aufhielt, vorgelegt worden sind, gab der Vernehmungsbeamte G. an, dass er dies nicht getan habe. Er habe es nicht als sinnvoll angesehen, weil der Augenzeuge Faiz S. ja gesagt habe, dass er die Person nur schatten- bzw. schemenhaft gesehen habe. Einen Grund nachzufragen, ob er denn die Person überhaupt auf Lichtbildern wieder erkennen würde, habe er nicht gesehen und deswegen den Zeugen auch nicht danach befragt.

Rechtsanwalt Stolle: "Es ist nicht nachvollziehbar, warum dem Augenzeugen Faiz S., der möglicherweise den Täter gesehen hat, nicht Lichtbilder von dem damaligen Tatverdächtigen Andreas T. vorgelegt worden sind. Ein solches Vorgehen wäre zur Auffrischung einer Erinnerung nicht nur angezeigt gewesen, sondern entspricht den professionellen Standards bei Vernehmungen."

Am Nachmittag wurde der ehemalige Leiter der Kasseler Außendienststelle des Hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Herr Frank-Ulrich F., als Zeuge vernommen. Der Zeuge F. war damals Kollege von Andreas T. Von der Nebenklage Yozgat wurde in den Spurenakten ein Protokoll über ein Telefonat zwischen dem Zeugen Frank-Ulrich F. und Andreas T. vom Mai 2006 gefunden, aus dem sich ergibt, dass es offensichtlich Gespräche innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz über das Aussageverhalten des damaligen Beschuldigten Andreas T. gegeben hat. Der Zeuge Frank-Ulrich F. gab auf Frage des Vorsitzenden an, er habe an dem Tag nach dem Mord nur einmal Andreas T. gefragt, ob er das Café, in dem der Mord stattgefunden hat, kenne, was dieser verneint haben soll. Weitere Gespräche habe es nicht mit Andreas T. gegeben. Auch keine Telefonate. Er sei noch mal mit dem Thema beschäftigt gewesen, als der Polizeipräsident ihn angerufen, ihn über die Ermittlungen gegen Andreas T. informiert und eine Durchsuchung des Büros angekündigt habe.
Nachdem dem Zeugen F. die Mitschrift der Polizei über das Telefonat zwischen den Zeugen F. und T. vorgehalten hat, bekundete der Zeuge F. auf einmal, dass das seine Worte sein könnten, er könne sich aber an das Telefonat nicht erinnern, können dessen Stattfinden aber auch nicht mehr ausschließen. Von der Nebenklage Yozgat wurden dem Zeugen noch weitere Telefonüberwachungsprotokolle vorgehalten, an die sich der Zeuge ebenfalls nicht erinnern konnte oder wollte. Den Widerspruch, dass sich laut den Protokollen die Telefonate um den Mord und die Ermittlungen gegen Andreas T. und deren Folgen drehten, der Zeuge F. aber behauptet hat, dass sich das Landesamt für Verfassungsschutz vollständig aus den Ermittlungen herausgehalten hat, konnte der Zeuge nicht erklären.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu: "Es zeigt sich wieder einmal, dass die Verfassungsschutzbehörden einer Aufklärung entgegen wirken, statt sie zu befördern. Behördenmitarbeitern, die ihr Erinnerungsvermögen erst auf konkrete Vorhalte, die ihren bisherigen Aussagen diametral entgegenstehen, bemühen, kann nicht die Aufgabe, die Verfassung zu schützen, übertragen werden. Es zeigt einmal mehr die erhebliche Distanz des Verfassungsschutzes zur Aufklärung und zur Wahrheit."

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