Die Turner-Tagebücher - eine Blaupause für den Terror des NSU

Presseerklärung der Nebenklägervertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 14. Oktober 2014

 

Die Turner-Tagebücher - eine Blaupause für den Terror des NSU

 

Begonnen hat der heutige Verhandlungstag mit der Vernehmung eines Beamten und einer Beamtin des BKA, die am 24. November 2011 an den Durchsuchungen der Wohnungen der Angeklagten Eminger und Wohlleben beteiligt gewesen sind. Berichtet haben die Zeugen von der Vielzahl der Datenträger, die in den Wohnungen aufgefunden worden sind.

 

Am Nachmittag wurde dann noch eine weitere BKA-Beamtin als Zeugin gehört, die mit der Auswertung des bei den Angeklagten sichergestellten elektronischen Datenbestandes beauftragt war. Insbesondere hatte die Zeugin die Aufgabe, mittels Schlagwortsuche nach den Turner-Tagebüchern in Dateiform zu suchen. Entsprechende Treffer konnten auf Datenträgern bei den Angeklagten Wohlleben und Eminger erzielt werden, bei den Datenträgern aus dem Wohnmobil, der Frühlingsstraße und bei dem Angeklagten Holger G. hingegen nicht.

 

Die "Turner-Tagebücher" von William L. Pierce dienen als Blaupause für die terroristischen Aktionen des Nationalsozialistischen Untergrundes. In den Tagebüchern wird eine rassistische und extrem rechte Untergrundorganisation, die durch Tötungen und Bombenanschläge Terror gegen "das System" und deren Vertreter ausübten und sich durch Banküberfälle finanzierten, glorifiziert.

 

In einer Erklärung rügte die Verteidigung Zschäpe im Zusammenhang mit der Vernehmung der Zeugin und ehemaligen Nachbarin der Angeklagten Zschäpe, Frau Charlotte E., u. a. einen Verstoß gegen das Prinzip des fairen Verfahrens. Bemängelt wurde die angeblich nicht rechtzeitige richterliche Vernehmung der sehr alten Zeugin, deren Erinnerungs- und Artikulationsvermögen unmittelbar nach dem Brand in der Frühlingsstraße noch ausgeprägter war, als während ihrer audiovisuellen Vernehmung in der Hauptverhandlung und ihrer Vernehmung durch den ersuchten Richter vor dem Amtsgericht Zwickau. Wäre, so die Argumentation der Vernehmung, die Zeugin Charlotte E. rechtzeitig (richterlich) vernommen worden, wäre der Nachweis erbracht worden, dass die Angeklagte Zschäpe vor Ausbruch des Brandes bei der Zeugin E. geklingelt haben muss, um diese vor dem bevorstehenden Brand zu warnen. Daraus, so die Verteidigung, ergebe sich, dass die Angeklagte Zschäpe nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt habe.

 

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu: "Die Erklärung der Verteidigung Zschäpe kann nur so verstanden werden, dass die Verantwortlichkeit von Frau Zschäpe für den Brand in der Frühlingsstraße nicht mehr bestritten wird. Soweit behauptet wird, eine zeitnahe Vernehmung der Zeugin E. hätte die Annahme eines Tötungsvorsatzes widerlegen können, geht dies fehl. Wer bei einer alters- und gehschwachen Nachbarin klingelt, aus welchen Grund auch immer, der geht davon aus, dass sich diese Person in dem Haus aufhält; zumindest rechnet er damit. Auf die Frage, ob jemand auf das Klingeln reagiert oder nicht, kommt es dann nicht mehr an. Frau Zschäpe ist davon ausgegangen, dass sich Frau E. in dem Haus aufhält. Sie hat damit auch mit der Möglichkeit gerechnet, dass sie durch die Inbrandsetzung des Hauses zu Tode kommen kann und dies billigend in Kauf genommen. Mehr braucht es nicht für die Annahme eines Tötungsvorsatzes."

 

 

 

 

 

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