Der Prozess geht ohne weitere Auseinandersetzung um die Verteidigung von Zschäpe weiter.

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle
vom 22. Juli 2014

Der Prozess geht ohne weitere Auseinandersetzung um die Verteidigung von Zschäpe weiter. Die Diskussion über die von Zschäpe beantragte Entbindung ihrer drei Pflichtverteidiger und einen möglichen Strategiewechsel entpuppt sich wohl im Nachhinein als Sturm im Wasserglas.

Zu Beginn der heutigen Verhandlung verkündete der Vorsitzende zunächst seine Verfügung über die von Zschäpe beantragte Entpflichtung ihrer drei bisherigen Verteidiger. Zschäpe hatte ihren Antrag wohl mit Hilfe eines weiteren von ihr beauftragten Anwalt bis Freitagabend begründet. Diese Begründung lag bislang allein der Bundesanwaltschaft und den Verteidigern von Zschäpe vor. Alle weiteren Verfahrensbeteiligten – inklusive der Nebenklägerinnen und Nebenkläger – haben ihre Informationen allein aus der Presse.

Der Antrag von Zschäpe – dessen Begründung wir nicht kennen – wurde abgelehnt. Stichhaltige Gründe, dass das Vertrauensverhältnis nachhaltig und endgültig erschüttert sei, seien – so der Vorsitzende - nicht vorgetragen worden.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

„Der Vorsitzende ist nach § 33 Abs. 2 StPO grundsätzlich nicht verpflichtet, zu einem Antrag auf Entpflichtung von Verteidigern außerhalb der Hauptverhandlung den Nebenklägerinnen und Nebenklägern Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Er ist aber auch nicht gesetzlich daran gehindert, alle Verfahrensbeteiligten zumindest über den Fortgang des Verfahrens zu informieren. Das ist bis heute nicht passiert. Alle Stellungnahmen werden Aktenbestandteil und sind über die Akteneinsicht früher oder später ohnehin allen Verfahrensbeteiligten zugänglich. Deswegen kann nicht nachvollzogen werden, warum Gamze Kubasik aus der Presse erfahren muss, wie der Prozess weitergeht und bis heute ohne Erklärung über die Hintergründe geblieben ist. Immerhin wurde auch darüber diskutiert, dass der Prozess bei Erfolg des Antrags von Zschäpe platzen könnte, was für Gamze Kubasik nach all der Belastung eine sehr schwierige Situation gewesen wäre. Umgehende Information wäre dringend notwendig gewesen.“

Im Anschluss wurde eine Zeugin gehört, die Urlaubsbekanntschaft von Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gewesen ist. Sie kannte sie unter „Lieschen oder Liese“, „Gerry“ und „Max“. Die Drei haben alles zusammen gemacht. Zschäpe habe immer für alle bezahlt. Dafür hatte sie ein Portmonee mit vielen Scheinen – auch 500 € Scheinen. Abgesprochen hätten die Drei immer alles miteinander, vom Tagesausflug bis zum Essen gehen.

Alle Drei seien sehr „herzlich und fürsorglich“ zu ihr gewesen. Mit „Liese“ hätte man über vieles – auch eigene Probleme – sprechen können. „Gerry“ habe gesagt, er sei Kurierfahrer. Über „Lieses“ Arbeit habe man nicht gesprochen. Sie habe auch nicht gewusst, wo die wohnen. Über die Familie der Drei habe sie wenig gewusst. Der Vater von „Max“ sei Professor, „Gerry's Onkel“ habe eine Autovermietung, „Liese“ habe Kontakt zur Oma.

Sie hatte eine Telefonnummer von „Lieschen“. Das sei aber die Telefonnummer gewesen, die von allen Dreien benutzt wurde. Darüber hätten sie länger Kontakt gehabt. Sie habe die Drei auch zu ihrem Geburtstag eingeladen. Dazu seien sie extra angereist und hätten bei ihr auch übernachtet. Zweimal seinen sie auch spontan in Peine (bei Hannover) vorbeigekommen. Sie sagten, sie hätten gerade jemanden besucht oder wären auf dem Weg zu Urlaubsfahrten. Ansonsten hätte man auch die Urlaubszeiten telefonisch miteinander abgesprochen. Die Drei wollten hingegen offensichtlich keinen Besuch, haben auch nie eine Adresse mitgeteilt. Noch im Sommer 2011 hat sie die Drei auf Fehmarn getroffen.
Liese habe erzählt, dass sie eine stark tätowierte Freundin habe und mit ihr länger auch über eine Telefonzelle telefoniert. „Gerry“ hatte u.a. einen Totenkopf mit Soldatenhelm tätowiert. Auf Fragen dazu habe „Gerry“ schnell abgelenkt und nur gesagt, dass das eine „Jugendsünde“ sei.

„Gerry“ und „Max“ hätten in verschiedenen Sommern erzählt, dass sie jeweils eine Freundin zu Hause hätten. „Gerry“ erzählte aber, dass er sein Handy den ganzen Sommer über nicht dabei hat, weil er keinen Kontakt mit der angeblichen „Freundin“ haben wolle.

Über politische Dinge sei nie mit ihr gesprochen worden, vielleicht aber mit ihrer Freundin Katharina. Über Bomben haben sie allerdings schon gesprochen, als ob es des Normalste wäre, was man in der Jugend bauen würde. Nach ihrer Erinnerung habe ihr „Gerry“ oder „Max“ beim Grillabend gefragt, ob sie noch nie eine Bombe gebaut habe und erklärt, dass man ganz einfach Schwarzpulver herstellen könne: „drei Zutaten nehmen, so Salpetersäure und so, in einem Mörser vermengen und stehen lassen.“

Als 2011 alles bekannt wurde, habe das die Zeugin, die heute noch im Gerichtssaal unter Tränen aussagt, sehr belastet. Die Drei seien wie Ersatzeltern für sie gewesen. Sie habe in der Folge die Schule mehrfach unterbrechen müssen und auch Therapiegespräche geführt.

Eine weitere Zeugin berichtete über ihre Urlaubserlebnisse mit „Liese“, „Max“ und „Gerry“, alias Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Von 2007 bis 2011 habe sie mit den Dreien und ihrer Familie Urlaub gemacht. Gemeinsam hätte sie mit „ihren Ossis“ aus Zwickau, wie sie sie damals nannten, viele Urlaubsaktivitäten unternommen. Sie seien vertraut mit den Dreien gewesen. Die wiederum wären ein eingeschworenes Team gewesen. Niemand hätte gedacht, dass das dahinter steckt, was jetzt raus gekommen sei. Die Drei seien im Urlaub unkompliziert gewesen. Über politische Themen habe man nicht gesprochen. Wenn die Zeugin, die offen gegen Nazis ist und entsprechende Aufnäher getragen hat, mal politische Themen angesprochen hat, gab es darauf keine Reaktion. Vielmehr wurde schnell das Thema gewechselt.

Einmal sei es allerdings um Jungendsünden gegangen, wobei „Gerry“ auch mal davon gesprochen hatte, wie man „Bomben“ bastelt. Dabei sei es darum gegangen, was damals in der DDR kurz nach der Wende so alles möglich gewesen wäre.

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