Bruch zwischen der Verteidigung Wohlleben und Zschäpe

Presseerklärung des Nebenklagevertreters Rechtsanwalt Peer Stolle vom 13. Januar 2015

Bruch zwischen der Verteidigung Wohlleben und Zschäpe

Am Ende des heutigen Hauptverhandlungstages hat die Verteidigung Wohlleben eine Reihe von Beweisanträgen gestellt, mit denen die Angeklagte Zschäpe massiv belastet wird und Wohlleben entlastet werden soll. Sie zielten vor allem auf die Vernehmung von diversen Zeugen aus der Neonaziszene ab, insbesondere von Blood&Honour. Mit den Anträgen soll der Nachweis erbracht werden, dass die Radikalisierung von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe erst nach deren Untertauchen in Chemnitz erfolgt sei.

So sollen Zeugen von Blood&Honour Sachsen geladen werden, die bekunden sollen, dass damals in der Neonaziszene Waffen beschafft worden sein sollen und innerhalb der Szene über Anschläge nach dem Vorbild der Turner Diaries diskutiert worden sein soll und vor allem nach dem Ausschluss von der Division Sachsen aus dem Blood&Honour-Netzwerk diese sich - im Vergleich zur sonstigen Naziszene - extrem radikalisiert haben soll. Auch sollen die Mitglieder der sächsischen Blood&Honour Division in die Beschaffung von Waffen verwickelt und der Umgang mit Waffen dort alltäglich gewesen sein. Die von der Verteidigung benannten Zeugen aus der damaligen Neonaziszene sollen weiterhin Ralf Wohlleben nicht gekannt haben. Damit soll der Nachweis erbracht werden - so die Argumentation der Verteidigung Wohlleben - dass die Radikalisierung von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe erst nach deren Weggang aus Jena/Thüringen erfolgt sei. Davon soll Wohlleben nichts gewusst haben. Auch wurden diverse Mitarbeiter von Verfassungsschutzbehörden als Zeugen benannt, die diese Entwicklung in Sachsen bestätigen sollen.

Hintergrund der Anträge ist wohl die Ablehnung des Antrages der Verteidigung Wohlleben auf Haftentlassung ihres Mandanten durch den Senat.

Rechtsanwalt Peer Stolle erklärt dazu: "Damit werden die Interessengegensätze zwischen der Verteidigung Wohlleben und der Verteidigung von Beate Zschäpe manifest. Die Verteidigung Wohlleben behauptet, dass sich das Trio und damit auch die Angeklagte Zschäpe im Sinne des Kampfes im Untergrund radikalisiert hat; allerdings erst nachdem sie Thüringen verlassen und in Chemnitz untergetaucht sind. Damit folgt sie zwar zum Teilen der Argumentation der Nebenklage, wonach Blood&Honour Sachsen einen ganz wesentlichen Beitrag zur Entwicklung des NSU geleistet hat. In ihrer Argumentation, dass diese Hinwendung zum bewaffneten Kampf erst nach ihrem Untertauchen in Chemnitz erfolgt sein soll, kann ihr aber nicht gefolgt werden. Dagegen spricht schon das bisherige Ergebnis der Beweisaufnahme. Die Bombenfunde in der Garage in Jena, die zum Untertauchen des Trios geführt haben, belegen, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe schon in Jena Bombenanschläge geplant haben und vermutlich auch schon ausgeführt haben. Auch alles, was wir über die Diskussionen im Thüringer Heimatschutz und in der Kameradschaft Jena wissen, spricht für eine Radikalisierung des Trios schon während ihrer Zeit in Thüringen. Schließlich wird mit den Beweisanträgen auch nicht den bisher in dem Verfahren gewonnenen Erkenntnissen zu der Involvierung von Wohhleben in der Beschaffung von Schusswaffen für das Trio, insbesondere der Ceska mit Schalldämpfer, mit der neun Migranten ermordet worden sind, entgegengetreten. Die Nebenklage geht davon aus, dass die Entscheidung, Anschläge zu begehen, schon zur Zeit vor dem Untertauchen getroffen worden ist.

Es ist nicht zu erwarten, dass durch die Vernehmung der benannten Zeugen der gegen den Angeklagten Wohlleben erhobenen Vorwürfe erschüttert werden können, insbesondere nicht sein Wissen, dass mit dem von ihm beschafften Waffe rassistische Morde begangen werden sollen. Allerdings werden jetzt Zeugen gehört werden müssen, die auch immer in der Befragung der Nebenklage eine Rolle gespielt hatten. Um ein historisches Zitat in abgewandelter Form heranzuziehen, kann gesagt werden: Ein sehr kleiner Schritt für de Angeklagten Wohlleben, aber ein wohl großer Schritt für die Aufklärung."

Mit dem Beweisanträgen wird vor allem die bisherige Aufklärungsarbeit der Nebenklage bestätigt. Auch die Verteidigung Wohlleben geht jetzt davon aus, dass Aufklärung der Blood&Honour-Division Sachsen zentral für die Aufklärung der Entwicklung des NSU ist; eine Behauptung, die auch immer von der Nebenklage aufgestellt wurde und in mühevoller Kleinarbeit im Verfahren belegt wurde. Damit stellt sie sich auch gegen die Verteidigung Zschäpe, die immer wieder versucht hatte, Fragen der Nebenklage zu Blood&Honour von der Nebenklage zu unterbinden.

Am Vormittag wurde die Vernehmung des Zeugen und ehemaligen V-Mannes Carsten Sz. fortgesetzt. Der Zeuge, der während seiner Arbeit als V-Mann für den Brandenburger Verfassungsschutz ganz wesentlich an der Radikalisierung der Nazi-Szene beteiligt war, behauptete auf alle Fragen, die das Trio betrafen, Erinnerungslücken zu haben. Weder an den Inhalt der Deckblattmeldungen, die seine V-Mann-Führer über Treffen mit ihm angelegt hatten und die sich auf Erkenntnisse in Bezug auf das Trio bezogen haben, noch an konkrete Aufträge seiner V-Mann-Führer, Informationen über das Trio zu sammeln, will sich der Zeuge erinnern. In dem von ihm herausgegeben Skinzine "United Skins", deren Ausgaben vor Veröffentlichung vom Verfassungsschutz gelesen wurden, wurde offen die Taten beispielsweise von Kay Diesner gerechtfertigt und Material wie die "Turner Diaries" und von Combat 18 beworben. Auf Nachfrage der Nebenklage hat der Zeuge auch angegeben, dass innerhalb der Szene, insbesondere innerhalb von Blood&Honour, über Gewaltanwendung und die Bildung von Zellen nach dem Vorbild von Combat 18 diskutiert worden ist. Diese Diskussion soll nach Angaben des Zeugen auch speziell innerhalb der sächsischen Division von B&H geführt worden sein.

Die Hauptverhandlung wird am 20. Januar 2015 mit der Anhörung von Geschädigten des Nagelbombenanschlages in der Keupstraße fortgesetzt werden.

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