Beobachtete der Verfassungsschutz das Trio nach dem Untertauchen und unternahm nichts?

Beobachtete der Verfassungsschutz das Trio nach dem Untertauchen und unternahm nichts?

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 22.04.2015

 

Beobachtete der Verfassungsschutz das Trio nach dem Untertauchen und unternahm nichts?

 

Als Zeuge war am heutigen 199. Verhandlungstag der ehemalige V-Mann Führer Meyer-Plath des Manns „Piatto“ alias Carsten Sz. geladen. Der wegen versuchten Mordes an dem aus Nigeria stammenden Steve E. zu 8 Jahren verurteilte Rechtsextremist, hatte sich nach offizieller Schilderung während der Untersuchungshaft selbst dem Verfassungsschutz als Informant angeboten. Meyer-Plath war zunächst mit der Auswertung seiner Angaben zur rechten Szene beschäftigt und ging später in das Referat Beschaffung, wo er neben einem weiteren Mann mit der Führung des V-Manns beschäftigt war. Diesen Mann, dessen Name im Übrigen bei uns aktenkundig ist, wollte Meyer-Plath nur als Chiffre „R. G.“ benennen.

Bei fünf Treffen 1998 habe Carsten Sz. über drei untergetauchte Personen im Raum Chemnitz berichtet, die sich bewaffnen würden und Banküberfälle planen würde. Es seien zwei Männer und eine Frau gewesen. Für die Frau sollte ein Pass über die bei „Blood & Honour“ organisierte Antje P. besorgt werden. Einer der Drei sei ein anonymer Autor eines Artikels im „White Supremacy“, einem Neonazifanzine, gewesen. Es würden Kontakte auch zu Jan W. in Chemnitz bestehen.

Carsten Sz. habe er circa 38.-39. mal getroffen und könne sich bis heute angeblich kein richtiges Bild von ihm machen. Es sei immer eine angenehme Atmosphäre und dennoch „hoch professionell“ gewesen. Man habe sich gedutzt und auch mal über Fußball gesprochen. Sz. sei explizit beauftragt worden, mehr Informationen über die drei Untergetauchten zu bringen. Man habe diese Meldungen als wichtig eingestuft und auch an das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Verfassungsschutzbehörden in Sachen und Thüringen weitergeleitet. Sz. habe nach Überprüfung der Auswertungsabteilung stets wahrheitsgemäße und exklusive Meldungen gegeben. Dafür habe er insgesamt ca. 80.000 DM erhalten.

Es sei im Ergebnis zu einer Zusammenkunft der Verfassungsschutzbehörden von Brandenburg, Sachen und Thüringen gekommen, bei dem es darum gegangen sei, wie diese Informationen weiter genutzt werden sollen, insbesondere, ob sie an die Polizei weitergegeben werden. Meyer-Plath behauptet, er habe an dem Treffen nicht teilgenommen und wisse auch angeblich nicht, was mit den Informationen weiter geschehen ist.

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu:

„Es ist nicht glaubhaft, dass sich mindestens drei Verfassungsschutzämter bei einer als besonders wichtig eingestuften Meldung zusammen setzen und dann nichts weiter veranlasst wird. Man wusste, dass sich die Drei im Raum Chemnitz aufhielten und kannte mögliche Kontaktpersonen und Unterstützer. Man wusste auch, dass sich die Drei bewaffnen und Straftaten begehen wollen. Zudem war bekannt, dass es in der rechten Szene einen Teil gibt, der den terroristischen bewaffneten Kampf anstrebt. Was mit der Information letztlich passiert ist, ist unklar. Möglich wäre eine Beobachtung des Trios im Untergrund, was auch plausibel das Schreddern etlicher Akten bei den Verfassungsschutzämtern erklären könnte. Sicher ist das jedoch nicht.“

 

Als heutigem Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz in Sachsen sei Meyer-Plath bekannt, dass vier CD' bzw. DVD's mit dem Titel NSU /NSdAP inzwischen vorliegen würden. Die Datenträger seien wahrscheinlich um 2005 entstanden und enthielten Texte, Fotos und Videos mit rechtem Propagandamaterial. Eine CD stammt aus Chemnitzer Neonazikreisen von Maik A. Eine Analyse, ob Maik A. Kontakt zum NSU oder Unterstützern habe, sei Meyer-Plath angeblich nicht bekannt.

Am Nachmittag sagte ein weiterer ehemaliger V-Mann-Führer aus Thüringen, Norbert W., aus. Er bestätigte, dass er Marcel D. 1997 angeworben und 2000 auch selbst wieder „abgeschaltet“ hat. Marcel D. habe als Quelle 2100, Deckname „Hagel“, wöchentlich umfangreiche Informationen geliefert, u.a. dass Zschäpe mit Thomas St. liiert gewesen sei und es vielfältige Unterstützung aus der Chemnitzer Neonaziszene gab. Auch zu Jan W. und Antje P. aus der sächsischen Blood & Honour Szene habe „Hagel“ Informationen geliefert. Dabei ging es auch um die finanzielle Unterstützung für das Leben im Untergrund, die Marcel D. dem Thomas St. angeboten hat, von diesem aber mit dem Verweis ausgeschlagen wurde, dass die Drei jetzt „jobben“ würden.

Eigentlich sollte Marcel D., der zuletzt jede Arbeit für den Verfassungsschutz geleugnet hat, heute erneut als Zeuge gehört werden, wurde aber wegen der fortgeschrittenen Zeit auf den 20.05.2015 umgeladen.

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