Befangenheitsantrag erwartungsgemäß ohne Erfolg - Weitere Beweisaufnahme zu den Ausspähungen des NSU

Presseerklärung des Nebenklägervertreters Rechtsanwalt Dr. Peer Stolle vom 24. November 2015

Vor Beginn des Hauptverhandlungstages wurde den Verfahrensbeteiligten der Beschluss bekannt gemacht, mit dem das Befangenheitsgesuch des Angeklagten Wohlleben v. 10. November 2015 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass schon am 18. Juni 2015 die Angeklagte Zschäpe - in ihrem damaligen Entpflichtungsersuchen bezüglich ihrer Altverteidiger Herr, Stahl und Sturm - schriftlich mitteilte, dass sie sich mit dem Gedanken trage, etwas auszusagen. Da sich - so die Richter -an dieser Sachlage bis zum 9. November 2015 - als Rechtsanwalt Grasel mitteilte, die Einlassung der Angeklagten Zschäpe solle am 11. November 2015 erfolgen - nichts wesentlich Neues ergeben hätte, worüber die Verfahrensbeteiligten - und damit auch die Altverteidiger - hätten seitens des Senats informiert werden müssen, liege auch kein prozessordnungswidriges Verhalten vor, so dass eine Besorgnis der Befangenheit bei einem verständigen Angeklagten nicht gegeben sei.

Der Hauptverhandlungstag begann mit der Vernehmung eines Beamten des BKA, der Kartenmaterial und Adresslisten zu verschiedenen Städten ausgewertet hat. Dies betraf u. a. die Städte Stuttgart, Eisenach, Göttingen, Greifswald, Rostock, Schwerin, Stralsund und Wismar.

Mit dem Zeugen zusammen wurden u. a. Kartenausschnitte und Adresslisten zu Göttingen, die mit den Druckdaten "02.04.2006" und "03.04.2006", also ein bzw. zwei Tage vor dem Mord an Mehmet Kubasik in Dortmund und drei bzw. vier Tage vor dem Mord an Halit Yozgat in Kassel, gekennzeichnet sind. Zwar wurde damit wieder mal belegt, wie umfangreich die Ausspähungen des NSU in Bezug auf verschiedene Anschlagsziele gewesen sind und wie akribisch die Täter dabei vorgegangen sind. Allerdings brachte die Vernehmung darüber hinaus kaum einen Erkenntnisgewinn. So konnte der Zeuge bspw. in Bezug auf Stuttgart mitteilen, dass angekreuzte Straßen in dem Straßenverzeichnis eines Stadtplanes mit Markierungen auf dem Stadtplan selbst korrelieren. Welche Objekte sich in dieser Straße befinden - und damit zum möglichen Motiv für die Markierung -, darüber konnte der Zeuge keine Auskunft geben, da diese Ermittlungen von anderen Beamten gemacht worden seien und er auch keine Rückkoppelung hinsichtlich möglicher Ergebnisse bekommen habe.

Ein weiterer Beamter des BKA berichtete von Kartematerial zu Münster, Kassel und Bielefeld, das ebenfalls am 03.04.2006 ausgedruckt wurde. Dazu gab es Adresslisten, auf den u. a. politische, migrantische, jüdische Einrichtungen und Personen vermerkt waren. Daraus ist zu schließen, dass der NSU nicht nur in Kassel und Dortmund gewesen ist, sondern es zumindest vorgehabt haben, weitere Städte aufzusuchen, um dort Straftaten zu begehen. Das für die Fahrt nach Dortmund und Kassel angemietete Wohnmobil stand dem NSU vom 3.-7. April 2006 zur Verfügung.

Zum Schluss der Hauptverhandlung wurde durch den Vorsitzenden der Antrag der Altverteidiger Zschäpe, ihre Pflichtverteidigerbestellung zu widerrufen, erwartungsgemäß abgelehnt.

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