Antje B. - mutmaßliche NSU-Unterstützerin: Ehre, Treue, Musik und „weiße Welt“ - aber „nichts Politisches“ und die realistische Selbsteinschätzung: „Scheiße! Problem ist, dass ich jetzt total unglaubwürdig bin.“

Presseerklärung der Nebenklagevertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle

vom 20.11.2014

 

Antje B. - mutmaßliche NSU-Unterstützerin: Ehre, Treue, Musik und „weiße Welt“ - aber „nichts Politisches“ und die realistische Selbsteinschätzung: „Scheiße! Problem ist, dass ich jetzt total unglaubwürdig bin.“

 

Der Verhandlungstag begann zunächst mit der Vernehmung eines BKA-Beamten, der eine Waffenvergleichsvorlage bei dem Angeklagten Carsten S. vorgenommen hatte. Dieser hatte bereits im Ermittlungsverfahren umfangreiche belastende Angaben gemacht. Insbesondere hat er Wohlleben als Waffenbeschaffer der Tatwaffe Ceska 83 benannt und diese Waffe dann auch bei einer Vorlage von 3 Schalldämpferpistolen identifiziert. Die Verteidigung von Wohlleben und Zschäpe versuchten Zweifel an der Identifikation der Waffe durch Carsten S. zu erfragen, was allerdings nicht gelang.

 

Im Anschluss wurde die Zeugin Antje B. vernommen. Die zumindest im Tatzeitraum überzeugte Rechtsextremistin, die heute als Kindergärtnerin arbeitet, hatte Mitte der 90iger Jahre Blood & Honour Sachsen mitgegründet. Der britische Rechtsextremist, Sänger der Naziband „Srewdriver“ und Vorbild der terroristischen Combat 18 Bewegung, Ian Stuart, sei ihr Idol gewesen. Sie habe nach seinem Tod sein Erbe weiterführen wollen. Als es in der rechten Musikszene vorrangig nur noch ums Geld gegangen sei, habe sie der Bewegung den Rücken gekehrt. Jan W. und Thomas Starke – beides ebenfalls mutmaßliche NSU-Unterstützer - seien damals bei B&H sehr aktiv gewesen.

 

Heute sagte Antje B. aus, dass sie angeblich niemanden vom Trio kannte. Die Vernehmung verlief schleppend und mit meist kurzen ausweichenden Antworten. Sie stellte Blood & Honour als eine Gruppe mit „Stammtischfeeling“ dar, die 4-5 Personen umfasst hatte. Nach allem was aktenkundig bekannt ist, ist das in jeder Hinsicht gelogen. Sie sei aus idealistischen Gründen ausgestiegen, als Thomas Starke erklärte, dass 20.000 DM gestohlen worden seien. Sie hätte immer gedacht, dass es um die Sache gehe und nicht um Gewinn und sei deswegen ausgestiegen.

 

Immer wieder betonte sie fast gebetsmühlenartig, dass es nur um Musik gegangen sei. Ihr sei es „um das Erbe von Ian Stuart“ gegangen. Nach etlichen Nachfragen gab sie zu, dass es „irgendwie“ auch „White Power“ und das „Überleben der weißen Rasse“ Thema gewesen wäre. Sie mauerte auch weiter, als es um die Namen der weiteren mit ihr befreundeten Beteiligten ging. Nicht einmal den Nachnamen ihrer besten Freundin wollte sie erinnern.

 

Slogans wie „Deutschland den Deutschen“ habe „man“ verwendet, angeblich ohne den Sinn richtig zu verstehen. Es sei darum gegangen, dass man seine „Hautfarbe erhält“. Waffen und Anschläge seien bei Blood & Honour angeblich kein Thema gewesen. Carsten Szepanski habe Sie aus der Haft über Briefkontakt kennengelernt und ihm mit ihrem Ex-Mann einen Job im Naziszeneladen „Sonnentanz“ angeboten. Dadurch sei er früher aus der Haft gekommen. Das Arbeitsamt habe die Einstellung bezuschusst. Szepanski sei sehr schnell Freigänger geworden und habe bei ihnen gearbeitet. Mit ihm habe sie ein sehr freundschaftliches Verhältnis gehabt. Über einen Reisepass von ihr, den sie der weiblichen Person des Trios zur Verfügung stellen sollte, wurde angeblich nicht gesprochen. Sie habe auch – entgegen der eindeutigen Auskunft der Meldebehörden – nie einen zweiten Pass beantragt.

 

Dass sie selbst auf einem Foto mit Zschäpe gemeinsam abgebildet ist, konnte oder wollte sie nicht erklären. Sie verstrickte sich auf Vorhalte immer weiter in Widersprüche. Es war offensichtlich, dass sie wesentliche Punkte verschweigen wollte. Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, dass sie beim BKA noch Angaben zu dem Angeklagten André E. und seinem Bruder gemacht hatte, aber heute angab ihn angeblich nicht zu kennen, fühlte sie sich offensichtlich ertappt: „Scheiße, Problem ist, dass ich jetzt total unglaubwürdig bin.“

 

Danach beantragte die Verteidigung, ihr einen Zeugenbeistand beizuordnen, der sie zu einer wahrheitsgemäßen Aussage bewegen solle. Der Vorsitzende betonte hingegen, dass die Wahrheitspflicht für jeden Zeugen gilt und dafür kein Anwalt als Beistand erforderlich ist.

Die Vernehmung wurde unterbrochen und wird am 10.12.2014 fortgesetzt.

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