"Alles Böse, alles muss weg."

 

Presseerklärung der Nebenklägervertreter Rechtsanwälte Sebastian Scharmer und Peer Stolle vom 11. März 2015

 

Der ehemalige V-Mann des Thüringer Verfassungsschutzes und Sektionsleiter von Blood&Honour Thüringen, Marcel D., Deckname "Hagel", bestreitet seine Quellenarbeit für den Verfassungsschutz und leugnet jeglichen Kontakt zu dem Trio. Im Anschluss wurde Thomas H., ein alter Weggefährte von André Eminger, der auch Mitglied in der von den Eminger-Brüdern gegründeten "Weißen Bruderschaft Erzgebirge" war, vernommen.

Zum Anfang der Vernehmung von Marcel D. wurde eine Aussagegenehmigung vom Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz verlesen. Auf die Frage, ob er mal für das Landesamt gearbeitet habe, erwiderte der Zeuge, dass er 2001 das erste Mal davon in der Presse gelesen habe. Seitdem werde ihm das immer vorgeworfen. Er habe gar keinen Kontakt zum Landesamt für Verfassungsschutz gehabt und habe auch nicht als Quelle gearbeitet. 1997 hätten mal Leute vor seiner Tür mit einem LKA-Ausweis gestanden und hätten Anwerbeversuche unternommen; er habe sie dann raus geworfen. Er habe nie Informationen an Behörden weitergeleitet. Diese Berichte seien wohl eine Retourkutsche für das von ihm damals geführte Klageverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen das Verbot von Blood&Honour gewesen. Aktenkundig sind allerdings eine Reihe von Quellmitteilungen des V-Mannes "Hagel" über mögliche Unterschlupforte des Trios und Spendenaktivitäten für die Drei. Auch der ehemalige Mitarbeiter des Thüringer Landesamtes, Herr Wiessner, hat hier in der Hauptverhandlung bestätigt, dass Marcel D. als Quelle geführt wurde. Als der Zeuge damit konfrontiert wurde, blieb er bei seinen Behauptung, niemals V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen zu sein. Bei seiner Vernehmung beim BKA hatte der Zeuge auf Fragen bezüglich einer Mitarbeit beim VS noch ausweichend geantwortet und gesagt, solche Fragen beantworte er nicht. Ausdrücklich bestritten hatte er das damals eine Zusammenarbeit nicht.

Der Zeuge hat weiter ausgesagt, er sei von 1996 -2000 bei Blood&Honour Thüringen Sektionschef, dann Sektionschef von Mittelthüringen, später auch in der Divisionsleitung von Blood&Honour Deutschland gewesen. Sie hätten damals viele Konzerte organisiert. Nach der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums im September 2000 habe er zwangsläufig aufhören müssen. Die Gründung der Sektion Thüringen sei mit Genehmigung der Divisionsleitung erfolgt. Die Initiative ging von "Pinocchio", dem damaligen Divisionschef, aus. Man musste, um von Berlin aufgenommen zu werden, schon "musikorganisationstechnisch" was bewegen können. Es gab dann eine Art Probezeit für die Sektion. Die habe es auch für die einzelnen Mitglieder gegeben. Darüber habe dann der Sektionsleiter entschieden.

Blood&Honour Sachsen habe es schon ca. zwei Jahren vor Thüringen gegeben. Die wären dann wieder ausgetreten, er glaubt, das sei so 1998 gewesen. Dabei sei es um Führungsstreitigkeiten mit Berlin gegangen. Die Behauptung der Verteidigung Wohlleben, Blood&Honour Sachsen sei aus der Division Deutschland ausgeschlossen werden, bestätigte der Zeuge nicht.

Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt kenne er nur aus Presseberichten. Wohlleben kenne er aus dessen Zeit Anfang der 1990er Jahre in Gera. Er habe damals nur aus der Presse die Information gehabt, dass die Drei vor der Justiz abgetaucht seien. Es habe damals viele Gerüchte gegeben. Er erinnere sich nicht daran, von Unterstützungsleistungen für die Drei mal gehört zu haben.

Thomas St., Führungsperson von B&H Sachsen und ehemaliger V-Mann des LKA Berlin, habe er damals alle zwei Wochen gesehen, er sei ein guter Freund gewesen. Einmal, wohl 1999, habe er ihm erzählt, dass er Beate Zschäpe kenne. Mit St. habe er aber nie über eine Spende für die Drei gesprochen. Laut einem Treffbericht des ThLfV soll Marcel D. Thomas St. eine Spende angeboten haben für die Drei, die dieser aber mit der Begründung abgelehnt habe, dass die Drei jetzt "jobben" würden. In seiner BKA-Vernehmung am 25. September 2013 konnte sich der Zeuge noch daran erinnern, dass er mal nachgefragt habe, ob die Drei noch Geld bräuchten, dies aber abgelehnt worden sei. Heute hat der Zeuge dies als eine "schwierige Frage" bezeichnet, an deren Beantwortung er sich erst nach mehreren Nachfragen und Vorhalten halbwegs erinnern konnte. Angeblich habe er Thomas St. nur gefragt, um Klarheit über deren Situation zu bekommen, tatsächlich habe er keine Spenden weitergeben wollen.

Obwohl der Zeuge laut weiteren Treffberichten des ThLfV entsprechende Informationen an seinen V-Mann-Führer gegeben haben soll, verneinte Marcel D. Spendensammlungen für die Drei auf einem Nazi-Konzert in Heilsberg.

Die Bezeichnung Thüringer Heimatschutz, so der V-Mann weiter, soll eine Erfindung der Presse für die Szenen in Rudolstadt, Saalfeld und Jena gewesen sein. Die hätten ab und zu mal ein paar Demos organisiert, auch die Konzerte in Heilsberg. Diese Informationen habe er von Brandt und Kapke bekommen, dies habe er jetzt nicht selbst erfunden.

Als das Fragerecht der Nebenklage erteilt wurde, hat Rechtsanwalt Hoffmann den Antrag gestellt, die Vernehmung zu unterbrechen und zunächst die ehemaligen Mitarbeiter des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz Wiessner und Zweigert, die den Zeugen als V-Mann geführt haben, zu laden und zu der Tätigkeit von Marcel D. für den VS zu befragen. Eine weitere Befragung des Zeugen im Rahmen der heutigen Hauptverhandlung mache keinen Sinn, solange nicht die Frage seiner V-Mann-Tätigkeit im vollen Umfang geklärt ist. Diesen Antrag haben sich verschiedene Nebenklägervertreter angeschlossen.

Nach einigen Fragen noch seitens des Vorsitzenden und der Nebenklage hat der Vorsitzende die weitere Einvernahme des Zeugen unterbrochen und ihm mitgeteilt, dass er noch mal kommen müsse. Es ist davon auszugehen, dass der Vorsitzende jetzt erstmal die V-Mann-Führer von Marcel D. vernehmen wird.

Rechtsanwalt Stolle erklärt dazu: "Der Zeuge hat für alle offensichtlich gelogen, in dem er seine Tätigkeit als V-Mann für den Thüringer Verfassungsschutz abgestritten hat. Auch sonst war sein Aussageverhalten davon geprägt, sich im Vagen und Ungefähren zu halten. Eine weitere Befragung eines solchen Zeugen, der offensichtlich die Unwahrheit sagt, macht keinen Sinn, solange man nicht seine V-Mann-Führer zu seiner Tätigkeit für das Thüringer Landesamt befragt."

Am Nachmittag wurde dann Steffen H. vernommen. Er war ehemaliges Mitglied der von André Eminger und dessen Bruder gegründeten "Weißen Bruderschaft Erzgebirge". Es sei, so der Zeuge, darum gegangen, was für die Jugend im Erzgebirge zu tun. Damals habe es viele Drogen im Erzgebirge gegeben. Dem habe man entgegenwirken wollen. Am Anfang seien es acht Mann in der Bruderschaft gewesen, später dann so 20. Es seien nur Männer zugelassen gewesen. Man habe sich einmal im Monat getroffen, gemeinsame Ausflüge geplant, Fußballturniere organisiert. Einmal habe man ein Geländespiel mit anschließendem Konzert organisiert, das Konzert sei aber verboten worden, das sei der finanzielle Ruin für die "Bruderschaft" gewesen. Man habe als "WBE" ein Fanzine, das "Aryan Law and Order", herausgegeben. Es konnten alle für das Fanzine Beiträge zusteuern. An den Artikeln sei durch Vorname und Anfangsbuchstabe des Nachnamens gekennzeichnet, wer der Autor gewesen sei. Es wurden auch Mitgliedsbeiträge erhoben. Erst auf Nachfragen räumt der Zeuge ein, dass es auch um "politische Bildung" gegangen sei. Dabei sei es um das "Land, die Natur, die Heimat" gegangen. "Weiß" habe man sich wegen der weißen Hautfarbe genannt. Man wollte Blood&Honour und auch andere Organisationen, die Konzerte organisiert haben, unterstützen. Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe, Wohlleben und den Thüringer Heimatschutz habe er nicht gekannt. Sie hätten auch mal Herrn Schwerdt von der NPD eingeladen, ihre politischen Ziele haben sie über politische Bildung erreichen wollen. Über Gewalt sei nie gesprochen worden. Ausländer seien kein Thema gewesen.

Auf Fragen der Nebenklage hat der Zeuge dann geantwortet, dass sie damals in der WBE "extrem" gewesen seien; man wäre gegen alles und jeden gewesen; wenn ihnen jemand was Böses tun wollte, dem hätten sie dem auch was Böses getan. Man hätte auf alles gefasst sein sollen. Damals sei die allgemeine Meinung von Jugendlichen im Erzgebirge gewesen, Ausländer nähmen die Arbeit weg; Ausländer seien böse und gemein. Auf die Fragen, ob Juden und Türken auch Thema gewesen seien und welche Meinung dazu vertreten wurde, antwortete der Zeuge mit ja und beschrieb die Einstellung dazu mit "Alles Böse, alles muss weg".

Rechtsanwalt Scharmer erklärt dazu: "Der Zeuge war unwillig, auf Fragen nach dem Angeklagten Eminger und dessen politische Haltung und Aktivitäten konkret zu antworten. Wahrscheinlich fühlt sich der Zeuge immer noch dem auch in dem WBE propagierten Slogan 'Brüder schweigen' verbunden."

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